Ist von einer Existenzgründung die Rede, denken die meisten Menschen an den Aufbau eines Handels- oder Dienstleistungsunternehmens. Weniger ausgeprägt, zumindest nach unseren Erfahrungen, ist die Verknüpfung zwischen Existenzgründung und Handwerk, gleichwohl diese Branche für unsere Volkswirtschaft nicht weniger wichtig ist. Im Dezember 2013 gab es in Deutschland 1.008.593[1] Handwerksbetriebe, angefangen von Familienunternehmen mit jahrzehntelanger Geschichte und neu gegründeten Unternehmen. Die Anzahl der Unternehmen steigt seit Jahren kontinuierlich.
Zulassungspflichtige Gewerbe
Grundsätzlich gilt, wer sich in einem handwerklichen Beruf selbständig machen möchte, benötigt dafür einen Meisterbrief, so die landläufige Meinung. Vielmehr ist es jedoch, dass die Handwerksordnung, also jenes Gesetz, welches u.a. die Ausübung eines Handwerks und handwerksähnlichen Gewerbes regelt, zulassungspflichtige, zulassungsfreie und handwerksähnliche Gewerbe unterscheidet.
Allein für die Gründung und Ausübung eines zulassungspflichtigen Handwerksgewerbes muss ein Meisterbrief vorhanden sein, den im Optimalfall der Gründer selbst beibringt, der aber auch durch einen im Unternehmen angestellten ‚technischen Betriebsleiter‘ mit Meisterbrief erbracht werden kann. Hierbei handelt es sich um Gewerbe, in denen durch nicht fachgerechte Ausübung Gefahren für Leib und Leben von Kunden und zivilen Personen entstehen können. Beispielhaft können hier die Handwerke Maurer, Maler, Gerüstbauer, Schornsteinfeger sowie Bäcker und Fleischer genannt werden. Ausnahmebewilligungen vom Meisterbrief sind bei einem Nachweis der vorhandenen Fähigkeiten und Kenntnisse durch Ableisten von Lehrgängen oder Prüfungen möglich. Dem Meisterbrief werden überdies die Abschlüsse von staatlich geprüften Technikern und Ingenieuren gleichgestellt. Welche Handwerksberufe zu den zulassungspflichten Gewerben zählen, ist aufgeführt in der Anlage A der Handwerksordnung[2]. Überdies können auch Gesellen mit mindestens sechsjähriger Berufserfahrung in einem zulassungspflichtigen Handwerk einen Rechtsanspruch darauf geltend machen, dieses Handwerk selbständig ausüben zu dürfen, wenn sie nachweislich mindestens vier Jahre in leitender Funktion gearbeitet haben, was bedeutet, dass sie in einem Betrieb oder in einem wesentlichen Betriebsteil zum Treffen von eigenverantwortlichen Entscheidungen befugt waren.
Möglich ist auch die Ausübung in einem zulassungspflichtigen Handwerk per Anerkennungsgesetz aus dem Jahr 2012, welches sich vor allem an ausländische Personen unabhängig ihrer Nationalität richtet. Diese können ihre im Ausland erworbenen Berufsabschlüsse den deutschen Gesellen- und Meisterprüfungen als gleichwertig anerkennen lassen und auf diese Weise ein zulassungspflichtiges Handwerk selbständig ausüben
Zulassungsfreie und handwerksähnliche Gewerbe
Im Gegensatz zu den zulassungspflichten Gewerben besteht keine Erfordernis für einen Meisterbrief in den zulassungsfreien und handwerksähnlichen Gewerben. Welche das sind, wird ebenfalls durch die Handwerksordnung in der Anlage B Abschnitt 1 (besser bekannt als Anlage B1) und Abschnitt 2 (besser bekannt als Anlage B2) definiert. Dazu gehören zum Beispiel die Handwerke des Uhrmachers, Schuhmachers, Feinoptikers, Gebäudereinigers und das Fotografen. Da Betriebe nicht mit dem Begriff ‚Meisterbetrieb‘ werben können, wenn kein Meisterbrief vorliegt, sollten, so die Erfahrung des BMWi diese über besondere Spezialisierungen oder andere Wettbewerbsvorteile verfügen, um am Markt erfolgreich tätig sein zu können.
Eintrag in die Handwerksrolle
Für die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit in einem handwerklichen Gewerbe ist bei zulassungspflichtigen Gewerben, das wird ebenfalls durch die Handwerksordnung geregelt, gegen die Erbringung einer Gebühr und persönliches Erscheinen durch den Gründer die Eintragung in die Handwerksrolle erforderlich, welche von der Handwerkskammer in ihren jeweiligen Bezirken geführt werden. Zulassungsfreie und handwerksähnliche Gewerbe müssen ebenfalls bei der Handwerkskammer des Bezirks in ein Verzeichnis eingetragen und damit als Gewerbe erfasst werden.
Erst mit der Bestätigung über diese Eintragung kann die Anmeldung beim Gewerbeamt erfolgen. Weitere Institutionen wie das Finanzamt und die Berufsgenossenschaft werden durch das Gewerbeamt informiert.
Wichtig ist außerdem, dass die Ausübung eines Gewerbes im Handwerk nur insoweit erfolgt und die Tätigkeiten beinhaltet, welche entsprechend den Regelungen der Handwerkskammer und Berufsspezifika erbracht werden dürfen.
Eine Übersicht aller Handwerkskammern in Deutschland, von Koblenz bis nach Flensburg, findet Ihr unter folgendem Link: http://www.zdh.de
Kaufmännische Qualifikation
Von diesen Vorgaben einmal abgesehen, gelten für die Gründung eines Handwerksbetriebs genau die gleichen Anforderungen, Schritte und Orientierungspunkte wie bei dienstleistungs- oder industriespezifischen Vorhaben. Neben den handwerklichen Kenntnissen ist es genauso wichtig, dass die zukünftigen Unternehmer über das entsprechende kaufmännische und organisatorische Know-How für die Unternehmensgründung und -führung verfügen. In der Regel werden diese Kenntnisse in den vorbereitenden Schulungen für die Meisterprüfungen vermittelt. Da mit der Gründung eines Unternehmens in einem Handwerk in der Regel erhöhte Kosten verbunden sind, bspw. für die Beschaffung von Arbeitsmaterialien, Werkzeugen, ggf. Maschinen und Rohstoffe, empfiehlt es sich, einen Gründungsberater, es gibt spezialisierte Berater, die durch die Handwerkskammern vermittelt werden, zu konsultieren, um herauszufinden, an welchen Stellen das eigene Konzept oder Know-How noch optimiert werden können.
[1] http://de.statista.com/statistik/daten/studie/5151/umfrage/anzahl-der-handwerksbetriebe-in-deutschland/
[2] http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/hwo/gesamt.pdf